Der Weg der Welt by von Bingen Hildegard

Der Weg der Welt by von Bingen Hildegard

Autor:von Bingen, Hildegard [von Bingen, Hildegard]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Verlagsgruppe Weltbild
veröffentlicht: 2012-09-24T22:00:00+00:00


3. Buch

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Die erste Vision:

Vom Engelsturz.

Als ich nach Osten sah, erblickte ich dort einen ganz und gar unversehrten Stein von ungeheurer Breite und Höhe, der eisenfarben war, über ihm eine weiße Wolke und über dieser einen runden Königsthron, auf dem in wunderbarer Herrlichkeit, über und über leuchtend, ein Jüngling saß; er strahlte solche Klarheit aus, daß ich es nicht vermochte, ihn genauer anzublicken. Auf seiner Brust hatte er schwarzen und häßlichen Schlamm; seine Seite war das Abbild einer menschlichen Brust und umgeben von wertvollen Edelsteinen. Von der leuchtenden Gestalt auf dem Throne ging ein großer goldener Kreis aus wie die Morgenröte (seinen Durchmesser konnte ich keineswegs ermessen). Dieser Kreis drehte sich von Osten nach Süden und Westen. Von Süden spiegelte er sich wieder nach Osten zu jener leuchtenden Gestalt und war unbegrenzt. Der Kreis war von der Erde so weit entfernt, daß ich ihn nicht erfassen konnte; und er strahlte eine so furchtbare Helligkeit aus, nämlich von steinerner, goldener, feuriger Farbe auf allen Seiten gemäß seinem Durchmesser aufwärts zur Himmelshöhe, zugleich sich so abwärts in den tiefen Abgrund ausdehnend, daß ich sein Ende nicht zu schauen vermochte. Dann sah ich auch aus dem Innern des Thronenden einen großen Stern ausgehen, der vielen Glanz und Schönheit spendete, und zugleich eine große Menge von niederfallenden Funken. Als mit jenem Stern alle anderen Sterne nach Süden ausgezogen waren, sah ich eine andere Gestalt auf dem Throne sitzen und die Sterne sich von dieser abwenden; sie trachteten danach, mehr nach Süden zu kommen, statt sie anzuschauen. Aber sogleich wurden sie alle ausgelöscht, als sie sich abwendeten und verwandelten sich in schwarze Kohle. Und siehe, ein Wirbelwind erhob sich, der sie bald von Norden hinter dem Thronenden nach Süden schleuderte und sie so in den Abgrund stürzte, daß ich keinen von ihnen mehr erkennen konnte. Jenen großen Glanz aber, der ihnen entzogen wurde, sah ich plötzlich bei dem Verlöschen der Funken zu dem Thronenden zurückkehren, und ich hörte ihn also zu mir sprechen: »Schreibe auf, was du siehst und hörst!« Und ich antwortete aus innerster Schau: »Ich bitte dich, mein Gebieter, daß du mir Erkenntnis geben mögest, um die Geheimnisse darzulegen und mich nicht verlassest, sondern mich in der Morgenröte deiner Gerechtigkeit bestärkest, in welcher dein Sohn geoffenbart ward, und verleihe mir, wie es mir zukommt, den göttlichen Ratschluß aufzuzeigen, welcher in alter Absicht bestimmt ist, wie du deinen Sohn Mensch werden lassen wolltest, so daß er ein der Zeit unterworfener Mensch wurde. Dies wolltest du vor aller Schöpfung in deiner Einfachheit und im Feuer der Taube, des hl. Geistes, daß dein Sohn, sich wunderbar erhebend, wie eine leuchtende Sonnengestalt, wahrhaft mit der Menschheit bekleidet würde um des Menschen willen.« Die Gestalt sprach ferner zu mir: »Wie schön sind deine Augen in göttlicher Erzählung, während die Morgenröte nach dem göttlichen Ratschluß aufsteigt.« Und ich: »Ich sah mich in meiner tiefsten Seele, und zwar wie Asche in grauem Schmutz, wie unbeständigen Staub; daher sitze ich voll Furcht im Schatten wie eine Feder; aber vernichte mich nicht wie



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